Lange wurde in der Bundespolitik um ein Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) gerungen. Am 11. Mai 2023 haben nun der Bundestag und am 12. Mai 2023 der Bundesrat die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses für das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ angenommen. Die entsprechenden Drucksachen aus Bundestag und Bundesrat finden Sie hier: https://dip.bundestag.de/vorgang/.../290260https://dip.bundestag.de/vorgang/.../290260.
Das Gesetz wurde noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (Stand 23.05.2023). Eine Lesefassung des Gesetzes liegt uns demnach noch nicht vor.
Um was geht es im Hinweisgeberschutzgesetz?
In dem Gesetz geht es vor allem darum, Hinweisgebern in Unternehmen und Behörden durch die Einrichtung interner und externer Meldestellen zu ermöglichen, auf Missstände und Gesetzesverstöße hinzuweisen. Außerdem sollen hinweisgebende Personen gegen Repressalien aufgrund solcher Meldungen wirksam geschützt werden.
Welche Einrichtungen sind davon betroffen?
Die Pflicht, eine interne Meldestelle einzurichten, gilt für Beschäftigungsgeber mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten.
- Arbeitgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten müssen ihre internen Meldestellen bis zum 17. Dezember 2023 einrichten.
- Arbeitgeber mit in der Regel 250 oder mehr Beschäftigten müssen schon ab Inkrafttreten des Gesetzes ihre Meldekanäle einrichten und betreiben. Das wird aller Voraussicht nach etwa Mitte Juni 2023 der Fall sein.
Wann tritt das Gesetz in Kraft?
Das HinSchG tritt einen Monat nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Wir rechenn mit der Verkündung in der 21. Kalenderwoche.
Wer ist „Beschäftigter“ im Sinne des Gesetzes?
Nach § 3 Abs. 8 HinSchG gelten u.a. folgende Personen als „Beschäftigte“ im Sinne des Gesetzes:
- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
- die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
- Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten,
- Menschen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch beschäftigt sind.
Was sind die (Kern-)Pflichten der betroffenen Einrichtungen nach dem HinSchG?
Arbeitgeber haben vor allem dafür zu sorgen, dass bei ihnen mindestens eine Stelle für interne Meldungen eingerichtet ist und betrieben wird, an die sich Beschäftigte wenden können (interne Meldestelle).
Können Einrichtungen auch einen gemeinsamen Meldekanal einrichten?
Mehrere Arbeitgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten können für die Entgegennahme von Meldungen und für die weiteren nach dem HinSchG vorgesehenen Maßnahmen eine gemeinsame Stelle einrichten und betreiben.
Was sind die hauptsächlichen Aufgaben einer Meldestelle?
Zu den Hauptaufgaben der einzurichtenden internen Meldestelle gehört vor allem die Einrichtung und der Betrieb von Meldekanälen sowie die Prüfung der eingegangenen Meldungen auf Stichhaltigkeit mit gegebenenfalls anschließender Ergreifung von Folgemaßnahme. Der Datenschutz sowie die Vertraulichkeit sind zu wahren.
Interne Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein. Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist für eine Meldung innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen. Mit Einwilligung der hinweisgebenden Person kann die Zusammenkunft auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.
Wie geht es nach Eingang einer Meldung weiter?
Bei Eingang einer Meldung ist ein bestimmtes, recht umfangreiches Verfahren einzuhalten. Die interne Meldestelle:
- bestätigt der hinweisgebenden Person den Eingang einer Meldung spätestens nach sieben Tagen,
- prüft, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich fällt,
- hält mit der hinweisgebenden Person Kontakt,
- prüft die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung,
- ersucht die hinweisgebende Person erforderlichenfalls um weitere Informationen,
- ergreift angemessene Folgemaßnahmen,
- gibt der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung eine Rückmeldung (Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese).
Was können angemessene Folgemaßnahmen sein?
Als Folgemaßnahmen kann die interne Meldestelle insbesondere
- interne Untersuchungen bei dem Beschäftigungsgeber oder bei der jeweiligen Organisationseinheit durchführen und betroffene Personen und Arbeitseinheiten kontaktieren,
- die hinweisgebende Person an andere zuständige Stellen verweisen,
- das Verfahren aus Mangel an Beweisen oder aus anderen Gründen abschließen
- oder das Verfahren zwecks weiterer Untersuchungen abgeben an eine Organisationseinheit für interne Ermittlungen zuständige Arbeitseinheit oder eine zuständige Behörde.
Welche Änderungen hat es zuletzt am Gesetzentwurf gegeben?
Bundestag und Bundesrat haben am 11./12. Mai 2023 folgende Änderungen gegenüber dem Gesetzentwurf beschlossen:
- Interne und externe Meldestellen sollen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.
- Hinweisgebende Personen sollen sich in Fällen, in denen intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann, primär an eine interne Meldestelle wenden.
- Informationen über Verstöße fallen nur noch in den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn sie sich auf den Arbeitgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen.
- Die gesetzliche Vermutung, dass die Benachteiligung einer hinweisgebenden Person eine Repressalie ist, besteht nur dann, wenn die hinweisgebende Person dies auch selbst geltend macht.
- Verstöße gegen das Gesetz können mit Bußgeldern statt mit höchstens 100.000 Euro nur noch mit maximal 50.000 Euro geahndet werden.
Können Verstöße gegen das Hinweisgeberschutzgesetz Sanktionen nach sich ziehen?
Grundsätzlich ja, denn ordnungswidrig handelt, wer beispielsweise eine Meldung behindert, eine Repressalie ergreift oder die Vertraulichkeit nicht wahrt. Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
Die Vorschrift, wonach ordnungswidrig handelt, wer nicht dafür sorgt, dass eine interne Meldestelle eingerichtet ist und betrieben wird (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 HinwSchG), findet erst sechs Monate nach der Verkündung des Gesetzes Anwendung.
Wer kann bei der Umsetzung der Anforderungen unterstützen?
Inzwischen haben sich zahlreiche Anbieter auf dem Markt etabliert, die als externe Dienstleister Meldestellen für Unternehmen und Organisationen einrichten.
In Mecklenburg-Vorpommern arbeitet der Paritätische MV in diesem Bereich erfolgreich mit dem Wirtschaftskontor Weinert in Rostock zusammen. Dieser Anbieter gewährt Mitgliedern des Paritätischen auf Anfrage auch Sonderkonditionen. Die Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier: https://www.wirtschaftskontor-weinert.de/whistleblowing.html
Der Paritätische Gesamtverband hat zudem mit folgenden bundesweit tätigen Dienstleistern Rahmenverträge geschlossen, die Paritätischen Mitgliedern vergünstigte Konditionen einräumen:
- Althammer & Kill GmbH & Co. KG (Hannover): https://www.althammer-kill.de/leistungen/compliance/hinweisgebersystem-paritaet
- LegalTegrity GmbH (Frankfurt am Main): https://www.der-paritaetische.de/leistungen-angebote-und-veranstaltungen/ihr-verband-ihre-einkaufsvorteile/einkaufsportal/dienstleistungen/hinweisgeberschutz/legaltegrity-gmbh/
Der Text wurde auf Grundlage einer Fachinformation von Dr. Ingo Vollgraf vom Paritätischer Gesamtverband erstellt.