Empfehlungen zum Bildungszugang asylsuchender Kinder in Erstaufnahmeeinrichtungen

Eine gemeinsame Befragung von UNHCR und UNICEF Deutschland gibt einen Einblick in die Bildungssituation begleiteter asylsuchender Kinder in Erstaufnahmeeinrichtungen und sogenannten AnkER-Zentren in sieben Bundesländern und zeigt Auswirkungen der Pandemie auf den Zugang zur Regelbildung der Kinder.

 

Fehlende bundeseinheitliche Regelung über Beschulung asylsuchender Kinder führt zu großen Unterschieden bei Bildungszugang
In Deutschland ist das Schulrecht Ländersache. Es gibt somit keine bundeseinheitliche Regelung über die Beschulung asylsuchender Kinder und Jugendlicher, auch nicht zum Beginn der Schulpflicht. Für asylsuchende Kinder, die in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen, ist der Unterricht in der Regelschule meist nicht vorgesehen. Lediglich in fünf der sechzehn Bundesländer beginnt die Schulpflicht mit der Einreise bzw. dem Stellen eines Asylgesuchs oder Asylantrags.

Unterschiedliche Unterrichtsmodelle
Da für asylsuchende Familien mit Kindern in der Regel zunächst eine Verpflichtung besteht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kommt dem Unterricht schon während dieser Phase eine wichtige Bedeutung zu. Soweit die Schulpflicht bereits gilt, wird ihre Beachtung auf unterschiedliche Weise gewährleistet: Es wird nach unterschiedlichen Modellen in den Unterkünften oder an der Regelschule unterrichtet, sei es in sogenannten „Willkommensklassen“ (Bezeichnungen variieren pro Bundesland) oder teils in den Regelklassen.

Da bisher nur wenige Erkenntnisse über die Ausgestaltung der Beschulung in Unterkünften in Deutschland vorliegen, haben UNHCR und UNICEF Deutschland in sieben Bundesländern gemeinsam eine Befragung durchgeführt, um einen besseren Einblick in die tatsächliche Bildungssituation begleiteter asylsuchender Kinder (zwischen sechs und dreizehn Jahren) in Erstaufnahmeeinrichtungen und sogenannten AnkER-Zentren (Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückkehr-Einrichtungen) zu erhalten.

Basierend auf den Ergebnissen der Befragung haben UNHCR und UNICEF Deutschland Empfehlungen zum Zugang zu Bildung von asylsuchenden Kindern in Erstaufnahmeeinrichtungen formuliert. Dabei verweisen sie auch auf das Rechtsgutachten des Paritätischen "Das Recht auf Bildung und Zugang zur Regelschule für geflüchtete Kinder und Jugendliche in Aufnahmeeinrichtungen der Bundesländer" von 2019: https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/das-recht-auf-bildung-und-zugang-zur-regelschule-fuer-gefluechtete-kinder-und-jugendliche-in-aufnahmee/.

Ergebnisse der Befragung
Ergebnisse der Befragung sind u.a., dass insbesondere bei freiwilligen Unterrichtsangeboten in der Einrichtung die (Lern)Gruppen größer sind und größere Unterschiede beim Alter der Kinder aufweisen. Darüber hinaus ist nicht sichergestellt, dass die für die freiwilligen Angebote zuständigen Personen ausreichend qualifiziert sind, da im Gegensatz zu verpflichtender Beschulung keine staatlich anerkannten Lehrkräfte vorgesehen sind, sondern hauptsächlich Mitarbeitende mit sozialpädagogischem Hintergrund oder Ehrenamtliche eingesetzt werden. Sowohl beim verpflichtenden als auch beim freiwilligen Unterricht in der Einrichtung gibt es keinen vorgeschriebenen Lehrplan, sondern lediglich teilweise von den Ländern vorgegebene Themenschwerpunkte in einigen Fächern. Gezielte Fördermaßnahmen waren bereits vor der Pandemie unerlässlich, um Chancengerechtigkeit in der Bildung zu schaffen. Unterschiede in Bezug auf den Zugang zu Bildung wurden durch die Pandemie noch einmal deutlich verschärft. Daher ist darauf zu achten, dass Strukturen geschaffen und ausgebaut werden, die es asylsuchenden Kindern ermöglichen, Bildungsangebote wahrzunehmen und dem Unterricht ohne Hürden zu folgen

Mehrheit der Kinder konnte gut betreut werden
In einigen Schulen konnte außerdem stichprobenarbeit hospitiert werden, um einen Eindruck von der Beschulung asylsuchender Kinder in Regelschulen zu bekommen. Das Engagement und die vielseitigen Bemühungen, um den Zugang zu Bildung für asylsuchende Kinder in Deutschland zu verbessern und zu gewährleisten, werden von UNHCR und UNICEF Deutschland anerkannt und geschätzt. Den kreativen Ansätzen und vielseitigen Bemühungen der Behörden, Schulen, Schulsozialarbeitenden oder Betreuerinnen und Betreuer ist es aus ihrer Sicht zu verdanken, dass die Mehrheit der Kinder trotz allem betreut wurde (z.B. über Arbeitsblätter in der Hauspost oder WhatsApp-Nachhilfe) und an geeignetes Schulmaterial gelangt ist. Allerdings sind auf struktureller und rechtlicher Ebene weitere Anpassungen notwendig, damit die Beschulung auch dann, wenn sie zeitweise in den Aufnahmeeinrichtungen vorgenommen wird, einheitlich und umfassend sichergestellt ist und nicht auf singulären Lösungen basiert.

Mit Blick auf völker- und europarechtliche Vorgaben und die deutschen Regelungen ist auf nationaler Ebene Änderungsbedarf ersichtlich, der langfristig allen Beteiligten zugutekommt. In Anbetracht der Herausforderungen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie zurzeit weltweit und in Deutschland im Bereich der Bildung bestehen, ist es notwendig, besonderes Augenmerk auf die Situation von ohnehin benachteiligten Gruppen, inklusive asylsuchender Kinder, zu legen.

Die Empfehlungen finden Sie hier: https://www.unicef.de/informieren/materialien/empfehlungen-unhcr-unicef-asyl/246112.