„Hallo, ich bin Tobi. Meine Mutter meint, ich bin gerade in der problematischen Phase eines Teenagers. So, wie ich mich anstellen würde, würde ich nie einen Ausbildungsplatz finden. Gut, ich weiß nicht so recht, was ich will. Ich weiß aber zumindest, dass ich für andere Menschen da sein möchte.
Ich besuche gern meinen Großvater. Er lebt draußen auf dem Land, wo nicht viel los ist für Teenager. Mein Opa pflegt seit Jahren seine Frau, meine Oma. Ganz allein. Das finde ich richtig cool. Ein pflegender Angehöriger ist er. Doch er muss es nicht allein machen. Er hat viele Helfer*innen. Professionelle Unterstützung, sagt er. Sie helfen meinem Opa, meiner Oma zu helfen.
Meine Oma hatte einen Schlaganfall. Das ist ein paar Jahre her. Sie war noch gar nicht so alt. Doch die professionellen Pfleger*innen meinen, es wäre der Klassiker: Ein Notfall, ab ins Krankenhaus und anschließend ein Pflegefall. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie meine Eltern und mein Opa weder ein noch aus wussten. Aber diese Sozialarbeiterin im Krankenhaus wusste echt viel: wo es Hilfe gibt und was alles zu besorgen sei. Sie hatte meinem Opa und meiner Mutter gesagt, was nun meine Oma für die medizinische und pflegerische Versorgung bräuchte. Ein neues Bett und solche Dinge. Barrierefrei musste auf einmal auch alles sein. Denn meine Oma würde wahrscheinlich nie wieder laufen könnte und einen Rollstuhl brauchen.
Alle waren froh, weil Oma zu Hause bleiben konnte.
Dann riefen sie bei der Pflegekasse meiner Oma an. Die Pflegekasse kommt für den Hauptteil der Kosten auf, wenn jemand Pflege braucht. Opa musste nur ganz wenig dazu zahlen. Die freundliche Dame von der Pflegekasse sagte wohl, dass das so richtig wäre. Jeder, der Pflege brauche, solle sie sich auch leisten können. Nur dazu zahlen müsse man wenigsten ein bisschen, sonst würde das so eine Art Selbstbedienungsladen werden. Die Dame von der Pflegekasse hat alles von ihrem Büro aus geregelt: Das neue Bett für die Oma kam - mit vielen Knöpfen und höhenverstellbar. Es kam ein Rollstuhl. Handwerker bauten bei Oma und Opa daheim ganz schnell um, machten die Türen breiter und das Bad barrierefrei. Und alle waren froh, weil Oma zu Hause bleiben konnte.
Ums Eck, wo Opa und Oma wohnen, gibt’s so ein Zentrum - ein Alten- und Servicezentrum. Dort leben auch ältere Menschen. Auch wird dort eine Tagesbetreuung für ältere Menschen angeboten, Tagespflege heißt das. Jeden Montag und Mittwoch wird Oma von dem Personal abgeholt und ist dort mit ganz vielen anderen älteren Menschen zusammen. Sie machen viele tolle Dinge, basteln und trinken Kaffee und quatschen miteinander. So kann Opa mal Luft holen, sagt er.
Aus diesem Servicezentrum kommen auch Pflegekräfte zu Opa und Oma nach Hause, wenn Oma nicht in der Tagespflege ist. Dreimal am Tag. Sie helfen Oma beim Waschen und achten darauf, dass sie die richtigen Medikamente bekommt und geben ihr ihre Spritze. Sie gehen auch mit Oma spazieren und einkaufen. Manchmal spielen wir auch alle zusammen Mensch ärgere dich nicht.
Opa sagt, die Pflegekräfte machen das total gern. Früher hätten sie für ihre Arbeit ganz wenig Geld bekommen. Nun würden alle wissen, dass das ein ganz wichtiger Job für unsere Gesellschaft ist. Darum müssen die Pflegekräfte auch nicht so viel am Tag arbeiten und bekommen trotzdem so viel Geld, dass sie gut davon leben können. Aber nicht nur deswegen würden sie es machen. Es mache ihnen auch einfach Spaß, Menschen zu helfen. Wow, echt Respekt!
Wenn es mal heikel wird und niemand da ist und Opa ein Problem mit Oma hat, dann hat er so einen Pieper an seinem Handy. Wenn er den Knopf drückt, ist auf der anderen Seite ein junger Arzt zu sehen. Der sagt, was Opa machen soll. Wenn Opa es nicht allein schafft, dann sorgt der Mann dafür, dass ganz schnell Hilfe kommt – rund um die Uhr. Wenn es Oma aber richtig gut geht, kommen die Pfleger*innen nicht extra zu Oma und Opa. Sie prüfen aber auch über die Kamera am Handy, ob alles okay ist. Das nennt sich Telepflege.
Es gibt eine extra Fachstelle, weil Oma vergesslicher wird
Mama und Opa sagen, dass Oma in letzter Zeit viel vergisst und öfter verwirrt ist. Demenz heißt das in der Fachsprache. Das ist eine Krankheit, die es den Pflegenden sehr schwer macht. Ganz in der Nähe gibt es eine Fachstelle: Dort helfen die Leute pflegenden Angehörigen von Demenzerkrankten. Opa fährt einmal die Woche mit dem Bus dorthin und trifft sich mit anderen, die auch jemanden pflegen, der dement ist. Mama geht auch manchmal mit, um die Krankheit besser kennen zu lernen. Die Berater*innen helfen den Angehörigen, das zu verstehen, was in dem Kopf einer dementen Person vor sich geht.
Opa hat erzählt, da seien auch oft Leute, die noch gar nicht mit der Pflegekasse zu tun hatten oder Berührungsängste mit den Behörden hätten. Aber die Fachleute dort beraten richtig gut und sagen denen, dass auch sie ihre Pflegekasse anrufen sollen, so wie bei Oma damals. Manchmal sind die Angehörigen mit ihrer Situation überfordert und brauchen selbst Hilfe. Auch hier helfen die Fachleute.
Opa sagt, wir könnten froh sein, hier zu leben. Er könne sich gut um Oma kümmern und hätte trotzdem noch ein Leben für sich, weil es ganz viele Menschen und Stellen gibt, die ihn und Oma unterstützen. Früher war das wohl anders. Diese Menschen machen alle eine ganz tolle Arbeit mit ganz viel Engagement.
Ich finde das beeindruckend. Vielleicht wäre das ein Job für mich? Mein Kumpel Manuel hat mir erzählt, dass er das ausprobiert: Nach der Schule kann man sich für ein soziales Jahr anmelden. In diesem FSJ kann dann mal reinschnuppern in den Pflegeberuf. Seine Freundin Maya hätte das auch so gemacht und danach wirklich eine Ausbildung gemacht. Sie sagt, dass ihr das viel Spaß macht, weil sie sich ganz viel Zeit für die Menschen nehmen kann.
Ich probiere es einfach mal aus!“
Von Lydia Ahlig, Referentin Altenhilfe und Pflege
Der Paritätische Mecklenburg-Vorpommern