Es darf noch ein bisschen mehr sein: Ein Mehr von allem für einen bereichernden Pflegeberuf

Wertschätzung und Anerkennung sind wichtig für unsere strukturrelevanten Pflegekräfte. Pflege macht Spaß, Pflege ist gesellschaftsrelevant. Doch allein mit Händeklatschen ist es nicht getan. Es bedarf ein Mehr von allem, was den Beruf der Pflegenden attraktiver macht, meint unsere Fachreferentin Lydia Ahlig. In unserem Blog zur Woche der Pflege lesen Sie, was ihr für einen bereichernden Pflegeberuf noch fehlt.

Pflege macht Spaß. Pflege ist bereichernd. Pflege ist abwechslungsreich. Pflege hilft Menschen. Es gibt viele gute Gründe sich für den Pflegeberuf in der Altenhilfe zu entscheiden.

Einer Studie[1] zufolge könnten mindestens 300.000 zusätzliche Vollzeit-Pflegekräfte geschaffen werden, wenn viele ausgestiegene Pflegekräfte wieder in ihren Beruf zurückkehren oder Teilzeitkräfte ihre Arbeitszeit aufstocken würden. Das würden diese aber nur unter bestimmten Voraussetzungen tun: sie hätten gern bessere Arbeitsbedingungen, verlässliche Arbeitszeiten und eine bessere Bezahlung.

Viele Maßnahmen – wenige Ergebnisse. Warum werden nun die Arbeitsbedingungen nicht verbessert?

Spätestens seit der Konzertierten Aktion Pflege im Jahr 2019 scheint das Thema Pflege auf Bundesebene oberste Priorität zu haben: Drei Ministerien. Drei Ziele. Das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wollen gemeinsam die Pflege vorantreiben.

Der Plan: Mehr Personal in der Pflege, mehr Menschen in die Pflegeausbildung, die Löhne in der Pflege steigen und tragen zu mehr Wertschätzung und besseren Arbeitsbedingungen bei. 180 Seiten lang ist die Vereinbarung mit allen Maßnahmen der Bundesregierung mit dem großen Ziel: Pflegekräfte sollen wieder mehr Freude an ihrer Arbeit haben und Pflegebedürftige noch besser versorgt werden können.

Einzelne Maßnahmen wurden in Gesetze gegossen, bestimmte Akteure wurden aufgefordert, ihre Aktionen zu intensivieren. So warben die Krankenkassen auf einer Tour durchs Land für Ihre Programme der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF). Zusätzlich mehr als 70 Millionen Euro wurde ihnen zur Verfügung gestellt.

Zur Etablierung und Akzeptanz der neuen generalistischen Ausbildung förderte der Bund ebenfalls in Millionen Höhe. Gesetze über Gesetze folgten. Zu guter Letzt folgte die „kleine Pflegerefom“ 2021.

Was gut gemeint war, war oft schlecht durchdacht. So versandeten viele zusätzliche Pflegekräfte für die Behandlungspflege irgendwo in den Verwaltungen. Fördergelder wurden wegen ihren hohen Hürden kaum abgerufen. Und bei der besseren Bezahlung der Pflegekräfte stöhnen nun die Pflegebedürftigen.

Obenauf folgt eine Corona-Welle der nächsten. Mitarbeiter müssen in Quarantäne oder ihre Kinder betreuen, weil die in Quarantäne sind. Touren- und Einsatzplanungen mussten eine Flexibilität erfahren, wie noch nie. Nicht alle Pflegeleistungen können auf Grund akuter Personalnot erbracht werden. Noch nie stand die pflegerische Versorgung unserer Gesellschaft so auf der Kippe. Und die Kraft unserer Pflegekräfte auch.

Was wird jetzt?
So viele gut gemeinte Bemühungen stehen als Maßnahmen schwarz auf weiß in der Konzertierten Aktion Pflege. Reichen diese Bemühungen aus? Wollen jetzt mehr junge Menschen den Beruf der Pflegefachfrau-/des Pflegefachmannes erlernen? Kommen die Maßnahmen und Förderungen in den Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten an? Können mehr in Pflegekräfte Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen?

Erste Zwischenberichte deuten auf ein Vorankommen in der Umsetzung dieser Maßnahmen. Doch trotzdem wäre unser Pflegesystem im März 2022 beinahe kollabiert. Ein Warnsignal! Es ist, wie es ist: Dank des schier unerschöpflichen Einsatzes unserer Pflegekräfte konnten weiterhin pflegebedürftige Menschen versorgt und pflegende Angehörige entlastet werden. ‚Danke‘ sagt die Gesellschaft und klatscht. ‚Danke‘ sagt der Gesetzgeber mit einer neuen Auflage des Corona-Pflegebonus in Höhe von bis zu 550 Euro.

Es muss ein bisschen mehr sein
Die Ausgestaltungen der Arbeitsverhältnisse mit besseren Arbeitsbedingungen liegen letztlich in den Händen der Pflegekräfte und ihren Arbeitgebern. Doch den Rahmen setzt der Gesetzgeber. Dieser ist stets bemüht. Doch stets bemüht reicht eben nicht. Es muss mehr sein. Mehr bessere Entlohnung, mehr refinanziertes Personal, mehr Förderungen, mehr Digitalisierung, mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es muss ein bisschen mehr sein – von allem, was diesen wunderbaren und vielseitigen Beruf in der Pflege noch attraktiver macht. Packen wir es an!

Von Lydia Ahlig, Referentin Pflege und Altenhilfe beim Paritätischen MV


[1] Arbeitnehmerkammer Bremen, mit der Bundesweiten Studie „Ich pflege wieder, wenn …“, https://www.arbeitnehmerkammer.de/index.php?id=953