Ein Planspiel: „Rechte Gesinnung im Ehrenamt“

In der Seminarwoche der Bundesfreiwilligen unseres Landesverbandes schlüpften die Teilnehmer*innen in die Rollen verschiedener Konfliktparteien, um interaktiv politische Zusammenhänge zu erleben.

„Also, wir wollen doch nicht, dass unsere Kinder hier mit so Nazi-Ideen angesteckt werden!“ „Nazi-Ideen? Es geht hier doch nur um ein Mittagessen!“ „Meine Damen und Herren, wir müssen nun langsam zu einem Kompromiss kommen.“

Kompromisse finden im Rollenspiel
Kompromiss wofür? Es geht um die Frage, wer zukünftig das Mittagessen in der KITA zubereiten soll. Die Landfrauen des Ortes haben sich angeboten, dies ehrenamtlich zu tun. Die Kita Leitung und der Träger halten das für eine gute Idee. Der Elternrat und eine Bürgerinitiative des Ortes laufen Sturm, denn den Landfrauen wird rechte Gesinnung nachgesagt. Die Nähe zum patriotischen Bauernverein stößt sauer auf und auch die Kirche und der Bau- und Sparverein als Sponsor der Kita mischen sich in die Diskussion ein. Die beiden Moderatorinnen der Debatte, Greta und Tina, haben alle Hände voll zu tun, die unterschiedlichen Positionen zusammenzufassen, gleichzeitig die Rednerliste zu führen und die verhärteten Fronten zu einem Kompromiss zu bewegen. „Wir könnten uns mit einer Probezeit anfreunden, aber nur, wenn sich die Landfrauen im Vorfeld öffentlich von den Positionen des Bauernvereins distanzieren“ so der Sprecher des Elternrats.

Die hitzige Debatte wird in der fiktiven Gemeinde Serverdingen geführt und die Beteiligten sind weder Landfrauen noch Eltern oder Erzieher*innen, sie sind Freiwillige im Bundesfreiwilligendienst . Für das Planspiel „Rechte Gesinnung im Ehrenamt“ sind sie in die Rollen der verschiedenen Konfliktparteien geschlüpft. Serverdingen ist eine kleine ländliche Gemeinde und die Landfrauen engagieren sich seit Jahren in der Kommune.  Angebote für günstiges Mittagessen aus der Region sind rar und auch die Eltern haben wenige Alternativen bei der Wahl der Kitaplätze. 

Politische Bildung als Teil der pädagogischen Begleitung im Freiwilligendienst

Welche Handlungsoptionen haben also die verschiedenen Akteure? Wie gestalten sich Entscheidungsprozesse? Wer darf mitreden und welche Argumente sind gewichtig?

Mit diesen Fragen sahen sich die Freiwilligen während ihres Seminars Anfang März konfrontiert. Die Seminare sind fester Bestandteil der pädagogischen Begleitung und so werden die Freiwilligen während ihres Dienstjahres immer wieder mit fachspezifischen aber eben auch mit gesellschaftspolitischen Themen konfrontiert. Das Planspiel, für dessen Durchführung das Team von planpolitik aus Berlingewonnen wurde, war hierbei eingebettet in den Themenschwerpunkt „Rassismus und Diskriminierung“, der die Themen und Inhalte des Seminars bestimmte. Die Freiwilligen erarbeiteten Positionen zu diskriminierender Sprache, setzten sich mit Themen wie Adultismus und Privilegien auseinander und mussten im Planspiel in die Rolle von Akteuren schlüpfen, die vielleicht Positionen vertraten, die im Gegensatz zur persönlichen Meinung stehen.

Bühne für fiktives Experimentund hitzige Diskussionen
Planpolitik konzipiert interaktive Formate zu politischen und gesellschaftlichen Themen und führt diese vor Ort und online durch. Die Freiwilligen wurden langsam in das Thema eingeführt, bevor sie in ihren Rollen miteinander konfrontiert wurden. Wichtig war es, eine begriffliche Grundlage zu schaffen, damit alle Teilnehmenden der Diskussion mit den gleichen Begriffen arbeiten konnten. In kleinen Gruppen bereiteten sich die Freiwilligen dann intensiv auf ihre Rollen vor, die ihnen von der Spielleitung zugewiesen wurden.

Für die Diskussion nahm die Spielleitung nur noch eine beobachtende Position ein. Die Bühne gehörte nun den Akteuren aus Serverdingen, die zum Teil verbissen ihre Position zum Thema vertraten:  Der Bau- und Sparverein befürchtete einen Imageschaden und drohte damit, die Finanzspritzen einzustellen. Die Bürgerinitiative hatte schon zur Unterschriftenaktion gegen die Landfrauen aufgerufen, während der Leiter des Freiwilligenzentrums ihr Engagement lobte. Die pragmatische Kita-Leitung sah eine kostengünstige Lösung und die empörte Elternschaft drohte mit Abmeldungen der Kinder. Die Verbissenheit der Argumente führte jedoch nicht zu einer Abnahme der Kompromissbereitschaft. Allen Akteuren war an einer gemeinsamen Lösung gelegen.

Neue Sichtweisen durch Planspiel
Es verwunderte demnach auch nicht, dass sich die Freiwilligen, wenn schon nicht mit den Rollen, so dann jedoch mit den Umständen identifizieren konnten. Viele haben ihre Einsatzstellen in den Kitas unserer Mitgliedsorganisationen, viele sind im ländlichen Raum zu Hause und haben Erfahrungen mit rechten Gesinnungen im Umfeld gesammelt. Daher bewerteten die Freiwilligen, nachdem sie ihre Rollen wieder abgeschüttelt hatten, das Szenario auch als überaus realistisch und zogen Parallelen zu ihren Einsatzstellen und ihren persönlichen Lebenswelten. Vielen fiel es schwer, in die Rolle von Akteuren zu schlüpfen, die nicht die eigene Meinung vertreten. Einstimmiges Fazit aller Teilnehmenden: Ein Planspiel ist ein geeignetes und spannendes Mittel, sich einmal in die Haut und Sichtweisen eines anderen zu  begeben.

Felix Weiß
Referent Bildungsarbeit Freiwilligendienste
Der Paritätische MV