Der Paritätische MV fordert bessere Rahmenbedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe

Die Kinder- und Jugendhilfe ist eine der wichtigsten, aber auch stark belasteten Bereiche in unserer Gesellschaft. In diesem Forderungspapier verweist der Verband auf notwendige Stellschrauben, an denen die Politik drehen muss, um für junge Menschen in allen Lebenslagen bedarfsgerechte Angebote und Leistungen zu schaffen oder zu sichern.

Kinder- und Jugendhilfe ist Beziehungsarbeit. Sie baut in all ihren Handlungsfeldern auf soziale Kontakte und Interaktionen auf: Im Bereich der Frühen Hilfen, in der Kindertagesbetreuung, den Hilfen zu Erziehung, in der Kinder- und Jugendarbeit, in der Jugendsozialarbeit bis hin zum Kinderschutz.

Die Kinder- und Jugendhilfe ist daher eine der wichtigsten, aber auch stark belasteten Bereiche in unserer Gesellschaft und nicht erst seit der Pandemie systemrelevant. Beziehungsarbeit kann nur von Menschen geleistet werden. Aber die fehlen vielerorts. Unter dem Fachkräftemangel leiden Kitas und Horte, aber auch der gesamte Bereich der Jugendhilfe. In Politik und Öffentlichkeit fehlt das Bewusstsein für diese Branche und die Sozialberufe mit Jugendlichen und dass diese Bereiche einen wesentlichen Beitrag leisten im sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft von morgen. Das muss sich ändern! Kinder- und Jugendhilfe braucht gerade jetzt eine gebotene Priorität für die Daseinsvorsorge, weil schon die Auswirkungen der Corona-Krise und neuerdings die Folgen aus Inflation und Energiekrise für alle Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe existenzbedrohlich sind.

Hilfen zur Erziehung

Damit Kinder und Jugendliche in besonders herausfordernden Lebensverhältnissen eine Chance auf eine gute Zukunft haben, haben sie und ihre Familien Anspruch auf so genannte Hilfen zur Erziehung.

Der Paritätische MV fordert:

  • Der Personalbedarf im Bereich der Hilfen zur Erziehung muss in der Ausbildungsplatzplanung des Landes für die Erzieher*innen mit berücksichtigt wird. Das ist bisher nicht der Fall.

  • Für Absolvent*innen der ENZ-Ausbildung (für Kinder im Alter von 0-10 Jahren) muss die Möglichkeit einer Weiterqualifikation zur Erzieher*in bis 27 Jahre geschaffen werden. Darüber hinaus müssen Aufwendungen für Weiterqualifizierungen von Kolleginnen und Kollegen in den Entgelten berücksichtigt werden.

  • Wenn junge Erwachsene mit 18 Jahren die Heimerziehung verlassen (sog. Care-Leaver) brauchen sie ein Übergangsmanagement. Nach § 41 SGB VIII steht ihn Unterstützung im Anschluss an die auslaufenden Hilfen zur Erziehung zu. Diesen Rechtsanspruch müssen die Kommunen gewähren.

  • Das Landesjugendamt muss wieder auf der Ebene der Landesregierung ange- siedelt werden. Die aktuelle Verortung beim Kommunalen Sozialverband (KSV) nimmt dem Land wichtige Einflussmöglichkeiten, zum Beispiel als Aufsichtsbehörde. Dafür sind § 20 Abs. 1 des Aufgabenzuordnungsgesetzes MV und § 14 Landesjugendhilfeorganisationsgesetz MV sind entsprechend zu ändern.

  • Familienzentren sind mit ihrem breiten Angebot von frühen Hilfen bis zur stationären Jugendhilfe ein wichtiges Bindeglied für die Vernetzung individueller Leistungen. Land und Kommunen müssen eine verlässliche und langfristige Finanzierung der Familienzentren gewährleisten, statt einer jährlichen Projektfinanzierung.

  • Bei der Unterbringung und Betreuung unbegleiteter Minderjähriger müssen die örtlichen Jugendämter und der Kommunale Sozialverband (KSV) sicherstellen, dass gleiche Standards für Unterbringung und Betreuung gelten wie für einheimische Kinder und Jugendliche.

Jugend- und Jugendsozialarbeit

Die Angebote der Jugend- und Jugendsozialarbeit sind wichtige Bausteine für die Teilhabe junger Menschen an der Gesellschaft. Diese Strukturen müssen gestärkt werden. Die vielfältigen Einrichtungen und Angebote (z.B. Jugendvereine, Sport- und Musikvereine, offene Jugendarbeit, Jugendclubs, Jugendgruppen, Jugenderholung, außerschulische Jugendbildung etc.) verfügten bereits vor der Krisenzeit kaum über eine auskömmliche Finanzierung und leiden schon lange unter Personalmangel. Stei- gende Einkommensarmut bei Kindern, Jugendlichen und ihren Familien sowie aktuelle Preissteigerungen führen dazu, dass viele Angebote gefährdet sind oder nicht mehr wahrgenommen werden können. Der Armutsbericht Deutschland 2022 des Paritäti-schen Gesamtverbandes stellt fest, dass jedes fünfte Kind und Jugendliche in Deutschland von Armut betroffen oder gefährdet ist!

Der Paritätische MV fordert:

  • Die Zuwendungsbereiche des Landesjugendplans (LJP MV) müssen ausfinanziert werden. Die Haushaltsansätze müssen in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen, damit alle Vorhaben, die die Förderbedingungen erfüllen auch durchgeführt werden können. Fördersätze müssen um mindestens 20 Prozent angepasst werden, um Preissteigerungen auszugleichen, Investitionen in Einrichtungen der Jugendarbeit, der Jugendbildung und Jugenderholung zu gewährleisten sowie steigende Personal- und Sachkosten finanzieren zu können.
  • Um Schulfahrten nicht zu gefährden, brauchen wir eine Erweiterung der Förderung von Klassenfahrten auf die Teilnehmerbeiträge für Schüler/innen hinaus. Bislang fördert das Bildungsministerium nur die Dienstreisekosten für Lehrer. Gefordert wird ein Reisekostenzuschuss von 800 EUR je Schulfahrt.
  • Räume für die Jugend- und Jugendsozialarbeit müssen auch im Winter und unter dem Eindruck der Energiekrise offengehalten werden. Nach den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie darf die Energiekrise nicht er- neut dazu führen, dass diese Angebote für jungen Menschen nicht mehr zur Verfügung stehe

Kindertagesförderung

Zur Verwirklichung der im Kindertagesförderungsgesetz (KiFöG MV) und der dazu gehörendenden Bildungskonzeption dargestellten Leistungen und Ziele fehlen in Meck- lenburg-Vorpommern notwendige Rahmenbedingungen. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es weniger Erzieher*innen pro Kind als in MV.

Der Paritätische MV fordert:

  • Eine zeitnahe Verbesserung der Personalausstattung in der Kindertagesförderung mit einem Fachkraft-Kind-Schlüssel, die sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert. Sukzessive muss eine Anpassung an die wissenschaftlich begründeten Fachkraft-Kind-Relationen von 1:3 in der Krippe, 1:7,5 im Kindergarten und 1:15       im Hort erfolgen.
  • Der im Koalitionsvertrag angekündigte angemessene Personalschlüssel zur Errechnung des notwendigen Personaleinsatzes muss endlich durch die Koalitionspartner      transparent ermittelt und umgesetzt werden.
  • Die Ausbildungsplatzplanung des Landes muss den Fachkräftebedarf über die Kindertagesförderung berücksichtigen: Auch in den Hilfen zur Erziehung und der     Eingliederungshilfe werden Erzieher*innen gebraucht!
  • Um mehr Erzieher*innen ausbilden zu können, muss der Ausbau der Ausbildungskapazitäten beschleunigt werden.
  • Die Ausbildungsmöglichkeiten müssen vielfältig sein: Dazu gehört auch der Ausbau der berufsbegleitenden Ausbildungsmöglichkeiten einschließlich einer Weiterqualifizierung für Absolventen der ENZ-Ausbildung.
  • Um die Erzieher*in-Ausbildung attraktiver zu machen, muss sie an staatlichen und freien Schulen kostenfrei sein. Die Auszubildenden müssen ein Ausbildungsentgelt erhalten.
  • Erzieher*innen müssen durch zusätzliche Kräfte in ihrem Kita-Alltag entlastet werden. Dafür muss das Land im KiFöG MV die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen schaffen.

Hier finden Sie das Forderungspapier als PDF